Tore Renberg gilt als einer der populärsten norwegischen Autoren. Er wurde vielfach preisgekrönt und seine Werke erscheinen in mehr als 20 Ländern. Bei uns gilt es allerdings, den Autor noch zu entdecken. Eine perfekte Gelegenheit bietet sein neuestes Werk: „Die Lungenschwimmprobe“. Ins Deutsche übertragen wurde es von den Übersetzerinnen Ina Kronenberg und Karoline Hippe.
„Die Lungenschwimmprobe“ ist sein erster historischer Roman, und er hat eine besondere Beziehung zu Leipzig. Die Stadt, geprägt von Barock und den ersten Anzeichen der Aufklärung, ist der Schauplatz seines spannenden Gerichtsdramas. Der Autor verwebt historische Fakten mit einer packenden Geschichte, die den Leser von der ersten Seite an fesselt. Im Zentrum des Romans steht die 15-jährige Anna Voigt, die Tochter eines Gutsherrn aus Elstertrebnitz. Sie steht vor Gericht, denn sie soll ihr neugeborenes Baby getötet haben. Zu dieser Zeit bedeutete der Vorwurf den sicheren Tod für das Mädchen, das selbst noch ein Kind ist. Hartnäckig versichert Anna, dass es kein Mord, sondern eine Todgeburt war. Nicht nur ihr gutbetuchter Vater steht ihr zur Seite, sondern auch der Stadtarzt von Zeitz Johannes Schreyer und ihr Anwalt, kein geringerer als Christian Thomasius, einer der Wegbereiter der Aufklärung. Können sie Anna retten?
Mehr als ein historischer Kriminalroman
Aber das ist nicht die einzige Frage, die sich der geneigten Leserschaft stellt, besonders, wenn man aus Leipzig kommt. Unweigerlich kommt man zu dem Punkt: Warum ist dieser historische Stoff weitgehend unbekannt? Gilt doch der Fall als Start der modernen Rechtsmedizin. Auch Tore Renberg stieß eher zufällig auf das Thema. 2018 recherchierte er für ein Theaterstück in Norwegen in der Pathologie. Einen ersten Überblick verschaffte er sich in einem Buch über die Geschichte der Rechtsmedizin. Ihr Anfang ist datiert auf das Jahr 1681, als Johannes Schreyer die Lungenschwimmprobe durchführte, um herauszufinden, ob ein Säugling vor oder nach der Geburt gestorben war. Renberg wollte mehr darüber erfahren, aber bis auf einige wenige Einträge fand er fast nichts. Begeistert von dem historischen Stoff, der in Vergessenheit geraten war, fing er an akribisch zu recherchieren. Er verbrachte lange Zeit in den Leipziger Archiven und wurde schließlich in den Aufzeichnungen von Thomasius über seine Zeit als Anwalt fündig.
All das lässt Renberg in seinen brillanten Roman einfließen, der weit mehr ist, als nur ein historischer Kriminalroman. Es ist ein tiefgründiges Werk, das sich mit Fragen nach Gerechtigkeit, Glauben und der Rolle der Frau in einer patriarchalischen Gesellschaft auseinandersetzt. Renberg wirft einen kritischen Blick auf die damaligen Rechtspraktiken und zeigt die Brutalität, mit der Menschen verurteilt wurden. Renbergs Roman besticht durch atmosphärische Dichte und die fesselnde Handlung. Dabei taucht er tief in die Vergangenheit Leipzigs ein.
Tore Renberg live erleben
Es ist ein würdiges Buch, um den Gastlandauftritt Norwegens zur Leipziger Buchmesse 2025 einzuläuten. Schon im Oktober kann man sich selbst davon überzeigen, denn Tore Renberg ist auf Lesereise:
Er stellt sein Buch am 20. Oktober 17:00 Uhr in der Buchhandlung Ludwig im Leipziger Hauptbahnhof und am 21. Oktober 19:00 Uhr in Halle im Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung in Kooperation mit dem Literaturhaus Halle vor. Begleitet wird er bei beiden Veranstaltungen von Jasmin Tabatabai und dem Moderator Carsten Tesch.
Wer die Lesungen im Oktober verpasst, hat im Frühjahr nochmals Gelegenheit Tore Renberg zu treffen. Er ist zu Gast auf der Leipziger Buchmesse und absolviert anschließend weitere Lesungen, u.a. in Dresden und Chemnitz.
Weitere Informationen zum Buch
Die Lungenschwimmprobe von Tore Renberg
Übersetzt von Ina Kronenberger, Karoline Hippe
Luchterhand Literaturverlag
Preis: 26,00 €
ISBN: 978-3-630-87777-8
„Die Lungenschwimmprobe“ von Tore Renberg ist bei Luchterhand erschienen. Mit Karl Ove Knausgard hat der Verlag einen weiteren renommierten norwegischen Autor im Programm. Er wird zur Leipziger Buchmesse mit „Die Schule der Nacht“ den vierten Band seiner Morgenstern-Reihe präsentieren. Außerdem ist bei Luchterhand die literarische Wiederentdeckung aus den 40er Jahren, „Nichts wächst im Mondschein“ von Torborg Nedreaas verlegt.
