"Finde im Leben das, was dir Spaß macht." Interview mit Chris Böhm

„Glaub an Dich, vertraue dir selbst, steh wieder auf wenn du mal fällst, kenne dein Wert, kenne dein Herz, es ist nicht schwer“ (aus Chris Böhms Song: Alles gut, alles easy)

© Agata Trofimiak

Der BMX-Flatland-Profi Chris Böhm ist heute das Highlight der TOGGO Tour in Leipzig. Mit einem strahlenden Lächeln und einer ansteckenden Begeisterung zieht er die Kinder in seinen Bann – und das nicht nur mit seinen beeindruckenden Tricks auf dem Bike. Als ehemaliger Leipziger, der fünf Jahre lang hier lebte, hat Chris eine besondere Verbindung zur Stadt. Heute teilt er nicht nur Autogramme aus, sondern hört den Kindern auch aufmerksam zu, tauscht sich mit ihnen über schulische Herausforderungen aus und setzt sich aktiv gegen Mobbing ein. Chris möchte den jungen Fans zeigen, dass Sport eine Quelle positiver Energie und ein echter Selbstbewusstseins-Booster sein kann.
Ein Gespräch mit einem inspirierenden Vorbild.

Seit wann fährst du BMX und was bedeutet es für dich?

Seit 1998 und BMX hat für mich alles verändert. Es hat mir das gegeben, was ich immer gesucht habe. Einfach Freiheit, im Sinne dass alles möglich ist was man sich vorstellen kann. BMX bedeutet einfach mein Leben, egal wo ich auf der Welt hingehe, ich lerne dadurch immer Leute kennen. Gleichgesinnte, egal welcher Kultur, Religion, Hautfarbe. Man hat einfach Spaß, tauscht sich aus und fühlt was der andere fühlt. Das macht es aus.

Was war dein erster Trick den du gelernt hast?

Das waren ein Balancetrick und ein 1/80.

© Agata Trofimiak

Was für eine Verbindung hast du mit Leipzig?

Eine sehr starke Verbindung, ich fühle mich sehr wohl hier und heimisch. Ich habe hier unter dem MDR Tower habe ich meine ersten krassen Skills gelernt. Ich habe fünf Jahre hier gelebt und eine große Szene mit hochgezogen. Wir waren über 30 Mann, damals gab es noch keine Handys und man musste erst mal quer durch die Stadt fahren und nach Leuten Ausschau halten, die so ähnliche Interessen hatten, wie man selbst. Diese brachten einen dann gegenseitigen BMX Tricks bei. Heutzutage muss man nur bei You Tube Chris Böhm eingeben und findet ein paar Tutorials. In Leipzig habe ich eine Ausbildung an der Universität als Examinierter Kinderkrankenpfleger gemacht und mich auch schon auf die ersten BMX Meisterschaften vorbereitet. Ich habe hier meine Jugend verbracht, die ersten Mädels kennengelernt, Niederlagen und Erfolge gefeiert. Ich habe mich nach der Ausbildung spezialisiert für die Kinder- und Jugendpsychiatrie und mich auseinandergesetzt mit psychischen Krankheiten, wie ADHS, Autismus, Bulimie und auch mit suizidgefährdeten Kindern.

Und du hast auch in diesem Rahmen eine Art „BMX Therapie“ entwickelt, wie kam es dazu?

Durch BMX Radfahren kann man sehr gut an diese Themen angreifen. Man kann sie wieder inspirieren und motivieren. Gerade Kinder erfahren durch BMX erste Erfolge, sie haben Spaß an etwas und kommen wieder einfacher in einen sozialen Alltag. Ich habe lange Zeit im Osten keinen Job gefunden nach der Ausbildung, heute herrscht riesiger Pflegemangel, aber damals gab es keine Jobs als Kinderkrankenpfleger. Ich habe erst ein wenig in der Altenpflege gearbeitet, Respekt an jeden der das macht, aber für mich war das nichts.
Und als ich 2006 auf dem Weg zur Weltmeisterschaft beim MTV Flatground Contest in Amsterdam war, sah ich dort zufällig eine Job Annonce für Lörrach in einer Pflegezeitschrift. Da hatte gerade eine neue Psychiatrie aufgemacht und somit bin ich direkt dort hingefahren und die wollten mich direkt einstellen, mit allen Ideen, die ich einbrachte. Sie meinten ich sei jung und dynamisch und erkannten das Potenzial meiner Ideen. Sie haben mir alle Möglichkeiten geschaffen, um mein BMX einzubauen, was damals im Osten leider nicht möglich war und dadurch bin ich von hier weggezogen.
Deswegen lautet auch ein wichtiger Appell von mir an alle Unternehmen: ermöglicht der neuen Generation ihre Perspektiven zu eröffnen. Wenn zum Beispiel jemand gerne Tik Toks macht, setzt ihn ein fürs Marketing. Setzt die Jugend ein durch ihr eigenes Marketing Leute zu animieren Pflegeberufe zu lernen.  Das müssen Einige der älteren Generationen, die noch in der Chefetage sind jetzt lernen.

© Agata Trofimiak

Hast du den Eindruck, dass sich seit Corona viel verändert hat bei den Kids?

Ich arbeite jetzt noch 30% als Kinderkrankenpfleger und im Krankenhaus hat man das extrem gemerkt, dass viele Kinder nicht motiviert sind, ihre Lebensfreude verloren haben und natürlich auch vermehrt Spielsüchtig geworden sind. Die Spielsucht ist eine sehr gefährliche Sucht, die Familien auseinander bringen kann. Und deshalb appelliere ich auch an der Stelle aus ganzem Herzen, legt das Handy zur Seite, verkauft eure Konsole und kauft euch ein BMX-Rad, geht Boxen, geht zum Fußball. Ich weiß für mich als Content Creator ist diese Aussage vielleicht kontraproduktiv, aber es ist die Wahrheit. Es ist wichtig raus zu gehen, sich zu entwickeln, eine Passion zu finden und Leute kennenlernen. Das Echte Leben ist viel wertvoller!

Und wie ist das mit deiner eigenen Familie?

Ich habe zwei Kinder, die interessieren sich jetzt nicht unbedingt fürs BMX Fahren, wie das halt so typisch ist, die Kinder von SIDO wollen auch keine Musik machen. Aber meine Kinder sind beide sehr sportlich unterwegs, eine meiner Töchter macht Ballett, die andere ist im Turnen. Ich denke es ist immer wichtig, das zu finden, was einem Spaß macht. Und auch als Elternteil, einfach die Kinder das machen lassen, was sie interessiert und ihnen nichts aufzuzwingen.

Was sind deine Pläne noch in diesem Jahr?

Erst mal mache ich weiter mit meiner Songkarriere! Ich habe ja gerade zwei Songs rausgebracht, was so ein bisschen als Spaß angefangen hat. Ich würde natürlich nicht nein sagen, wenn sich Massive Töne noch bei mir melden und wir ein Feature mit mir als neue Version des Songs: Wir sind die coolsten, wenn wir cruisen, wenn wir durch die City düsen…“
Ich will definitiv dieses Jahr noch einige Tricks lernen, das hat bei mir Tradition, dass ich mir immer zu jedem Geburtstag einen neuen Trick beibringe, den ich noch nicht kann. Ich werde die Toggo-Tour fortsetzen, da geht es noch bis September in einige deutsche Städte. Ich hoffe dort Nachwuchs zu finden!  Ein angehendes BMX Talent, jemand der in meine Fußstapfen treten und den ich zu den Deutschen Meisterschaften am 16. und 17. August mitnehmen kann und darüber hinaus. Und dann folgen noch die Weltmeisterschaften für mich im Dezember in Abu Dhabi.

© Agata Trofimiak

Was ist das Wichtigste, das du den Kids hier weitergeben willst?

Seid euch treu, Sei du selbst, zieh durch. Finde im Leben das, was dir Spaß macht. Denn hast du eine Passion, bekommst du nie im Leben eine Depression!

Mehr Infos zu Chris Böhm erhaltet ihr auf seinem Instagram-Account oder auf seiner Website. Ideen für sportliche Aktivitäten in Leipzig erhaltet ihr hier.